06. Juli 2023, Aktuelles

Hin und Her macht Taschen leer

Anleger überschätzen die Bedeutung von Volatilität und unterschätzen die Rendite in Aktien bei Einhaltung einer auf eine lange Frist angelegte Strategie. Die Folge davon ist zu häufiges Handeln aus den falschen Gründen, was verheerend ist für den langfristigen Erfolg. Wer jedem Rückschlag aus dem Weg gehen will, findet kaum den Wiedereinstieg, ...

...weil zu lange an die fundamentalen Gründe, die für einen Rückschlag herangezogen wurden, geglaubt wird.

 

Das Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung», erschienen am 3. Juli 2023, schloss Meena Lakdawala-Flynn mit folgender Aussage ab: «Der US-Leitindex, der S&P 500, brachte in den letzten fünf Jahren im Schnitt 11 Prozent pro Jahr ein. Wer die zehn besten Tage verpasst hat, hätte nur 1 Prozent pro Jahr erzielt».

 

Man kann davon ausgehen, dass diese von Goldman Sachs stammenden Zahlen errechnet und nicht erraten sind. Jedenfalls weiss man aus anderen Studien, dass wer die ersten Erholungen nach einer Korrektur verpasst, kaum noch Chancen hat, das Potential der kommenden Jahre und nicht nur Monate voll ausschöpfen zu können. Es ist ein Factum, dass der «falsche Ausstieg» enorme Kosten im Sinne verpasster Gewinne verursacht.

 

Der «falsche Ausstieg» erfolgt aus Angst, Buchgewinne würden sich in Luft auflösen oder ähnliches, oder aus Überschätzung des eigenen Wissens. Vielfach wahrscheinlich auch noch aus einer dritten Überschätzung: Jener, dass das Zusammenspiel von Aktienmärkten und Wirtschaftsdaten auch nur einigermassen kohärent ist.

 

Dass er ziemlich eigensinnig ist, hat der Verlauf vieler Sektorenindizes seit September 2022 gezeigt. Ich warte immer noch auf die Entwarnung, dass nicht alles zappenduster ist, dass eine neue Schuldenkrise ante portas steht, und dass es zu einer Kernschmelze an den Börsen kommt.

 

Seit Monaten sehen wir sehr unterschiedliche Kursverläufe in den Sektoren, noch stärker divergierende zwischen den MSCI-Industrien, wovon es seit dem neuesten Revirement durch den Indizeslieferanten 74 gibt. Und erst recht ist die Spreizung zwischen den Kursverläufen der einzelnen Aktien riesig.

 

Wenn ich die markgenerierten Daten richtig interpretiere, sollte die Marktbreite, die in den meisten Regionen zwischen mageren 50 und 60% liegt, zunehmen. Das signalisiert die begonnene Drehung der relativen Schwäche in Richtung einer sehr zaghaften relativen Stärke von S&P500 Equal Weighted, S&P 400 Midcap und S&P 600 Smallcap zum S&P 500. In Europa ist eine Bewegung dieser Art noch nicht vorzufinden, aber wer nimmt schon Europa als Eisbrecher in den Aktienmärkten wahr?

 

Leider kenne ich die Zukunft nicht. Was mir aber an den Märkten gefällt, weiss ich sehr wohl, und das ist das:

 

  • Immer wiederkehrende Konsolidierungen;
  • Meldungen von Unternehmen, deren Aktien relative Stärke über mehrere Monate aufwiesen, sind sehr selten enttäuschend. Meistens sind sie besser als erwartet. Offenbar ist das Verständnis der Erfolgstreiber innerhalb der Unternehmen sehr gut und offenbar lässt man sich von Unternehmensdaten inspirieren und hält sich von Luftschlössern weitgehend fern;
  • Der Markt klettert immer noch die berühmte Sorgenwand empor. Die Kapitulation der Bären ist noch nicht erfolgt.

 

Es ist mir bewusst, dass wir uns in einer potenziell explosiven geopolitischen Lage befinden. Aber welchen Zugang zu Informationen haben wir, um die Handlungsoptionen der Staatenlenker zu verstehen? Wie werden die Karten in Moskau, Washington und Peking und anderswo gemischt?

 

Investitionen kann man fast immer nur tätigen in der Annahme, dass das, was ist, eine brauchbare Basis für die Vorstellung bietet, was daraus entstehen kann. Dabei lohnt es sich, zu studieren, wie das, was ist, zustande gekommen ist. Man muss hierbei aufpassen, dass man bei der Inventarisierung von dem, was ist, nicht Faktoren einbezieht, die man unmöglich kennen kann.

 

Alfons Cortés, Senior Partner

 

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